The Sapphires - Ein Film mit Deborah Mailman und Jessica Mauboy. Kinostart: 20. Juni 2013 - Aviva - Berlin Online Magazin und Informationsportal für Frauen aviva-berlin.de Kunst + Kultur



AVIVA-BERLIN.de im Mai 2024 - Beitrag vom 14.06.2013


The Sapphires - Ein Film mit Deborah Mailman und Jessica Mauboy. Kinostart: 20. Juni 2013
Katarina Wagner

Ein Feel-Good-Movie über Rassismus. Kulisse: Vietnamkrieg. Was nach einem schwierigen Unterfangen klingt, meistert dieser Film mit Bravour. Inspiriert von einer wahren Geschichte erzählt er uns,...




... wie vier Aborigine-Frauen eine Soulband à la Supremes gründen und dabei ihre eigene tragische Vergangenheit - zumindest teilweise - bewältigen. Bei den AACTAs, dem wichtigsten australischen Filmpreis, gingen insgesamt zehn Trophäen an den Film: darunter Best Film, Best Adapted Screenplay und Best Direction.

"Thanks for the heartfelt applause... Just so you know, you´re all standing on a Black fella´s country."

Die Cousinen Gail (Deborah Mailman) und Cynthia (Miranda Tapsell) blicken von der Bühne des Talentwettbewerbs auf eisig versteinerte Mienen herunter. Allein dass sie als Aborigines in diesen weißen Raum eines Wirtshauses eingetreten sind, ist ein Skandal. Von warmherzigem Beifall kann definitiv nicht die Rede sein. Und dass wir uns hier eben nicht in einem (ursprünglich) weißen Land befinden, wird nicht nur verschwiegen, sondern aktiv bekämpft.
Die ambitionierten Sängerinnen wachsen in ihrer eigenen Heimat als ausgestoßene Minderheit auf. Was das heißt, wird im Laufe des Films deutlich.

Eine Bühne an der Front

Der erste Erzählstrang handelt von vier jungen Aborigine-Frauen, welche die Country-Gitarren ablegen und sich von Kopf bis Fuß und bis ins Mark in Soul kleiden. Sie verlassen ihren vorstädtischen Heimatort Cummaragunja, um einer Chance auf Erfolg als Girlgroup und auf ein besseres Leben bis nach Vietnam hinterherzujagen. Dort treten sie vor den US-amerikanischen Truppen in den jeweiligen Militärbasen auf.

Aufarbeitung und Versöhnung

Zwischen den Konzerten bleibt noch Zeit für die eine oder andere Romanze. Sehr viel interessanter ist jedoch die Beziehung der Frauen untereinander. Kay (Shari Sebbens) musste erst wieder ausfindig gemacht und in die Band zurückgeholt werden. Als hellhäutiges Aborigine-Mädchen wurde sie nämlich vor Jahren von der Regierung aus ihrer Gemeinde gerissen und in eine fremde, weiße Familie gesteckt. Dort sollte sie als, beziehungsweise zum weißen Kind erzogen werden.

Es ist das Schicksal der so genannten Stolen Generations. Bis in die 1960er Jahre wurden hellhäutige Töchter und Söhne aus der Verbindung von Aborigines und Weißen aus ihrem Elternhaus entführt und in die weiße Mehrheitsgesellschaft zwangsassimiliert. So sollte die nicht-weiße, indigene Bevölkerung gering gehalten werden "and pretty soon there would be no Black fellas left to worry about." – wie Gail im Film erklärt.

Nun ist Kay wieder da. Sie ist zu ihren Cousinen zurückgekehrt, aber wo steht sie selbst? Die vierte Soul Sister hat Mühe, ihre eigene Identität wieder herzustellen und zu beweisen, dass sie kein Gubba (Wort der Aborigines für WeißeR) geworden ist.

Ein perfekter Sommerfilm, aber Krieg bleibt Krieg

Bei solch starken Themen, wie Segregation und ethnischer Identität, liegt die Stärke des Films in seiner lockeren Grundstimmung. Er zeigt Rassismus und Krieg aus der sehr persönlichen Perspektive dieser vier Frauen und ihrer Geschichte. Zwar wird die Einreise nach Saigon noch als überwiegend fröhlicher Moment inszeniert, etwa wie in einem Sommer-Roadmovie, die Grausamkeit und den Terror des Krieges verschweigt der Regisseur jedoch nicht. So spüren die Protagonistinnen während der Tour nicht nur den Ruhm auf der Bühne, sondern erfahren Angst um ihr eigenes Leben und Erschütterung beim Anblick bereits zerstörter Existenzen.

Eine Sache muss jedoch klar angesprochen und kritisiert werden: der Mythos des weißen Retters. Als Manager und Pianist der Band kommt der Ire Dave Lovelace mit nach Vietnam. Der wird zwar am laufenden Band von Gail zurechtgewiesen und ist teilweise eher Ballast als Treibstoff für die Sapphires, allerdings ist er es auch, der sie in Soulmusic unterrichtet. Ein weißer Mann, der vier Schwarze Sängerinnen fragt, ob sie es "Schwärzer klingen lassen" können und sich selbst als Black Panther bezeichnet, ruft mindestens ein gewisses Unbehagen hervor.
Anlass zur Empörung bietet dann die Tatsache, dass es in der wahren Geschichte Maori-MusikerInnen waren, welche die originalen Sapphires in den Soul einweihten.

Dem Film muss diese fiktive weiße Figur wohl leider als Tauschhandel für größere mediale Aufmerksamkeit und ein breiteres Publikum verziehen werden. Innerhalb der Geschichte wird Dave allerdings immer wieder an den Rand gedrängt. Wenn es um die Vorgeschichte der Frauen geht, hat seine Stimme keinen Platz und er fragt höchstens später, worum es eigentlich ging. Im Vordergrund stehen eindeutig die auf tollen, starken Frauen basierenden Charaktere Gail, Kay, Julie und Cynthia McCrae.

Die wahre Geschichte

The Sapphires gab es wirklich, allerdings als Trio. Nach Vietnam flogen zudem nur zwei. Laurel Robinson und ihre Schwester Lois Peeler, welche für die Cousinen und eigentlichen Bandmitglieder Beverly Briggs und Naomi Mayers einsprang. Aus Protest gegen den Krieg weigerten sich diese, vor den SoldatInnen aufzutreten. So stellte die Tour durch das Kriegsgebiet auch nicht den Durchbruch für die Gruppe dar. Kleine und große Konzerte gaben sie schon lange davor. Entscheidend war die zufällige Begegnung mit einigen jungen Maori in Melbourne, welche sie zuerst einluden, ihre Show zu sehen und dann aufforderten, dabei mitzumachen. Dort performten die Drei hauptsächlich Soul und Blues von afro-amerikanischen KünstlerInnen und stiegen zur ersten populären Aborigine Frauenband auf. Ihre indigene Gemeinde(sie selbst gehören dem Yorta Yorta Stamm an) bekam damals jedoch wenig davon mit. Aufgrund der White Australia Policy (bis 1973), welche die Einwanderung von People of Colour nach Australien bekämpfte, gab es in den großen Städten auch kaum Aborigines. Vor dem Erscheinen des Films wussten überhaupt nur wenige der FreundInnen und KollegInnen der vier Frauen von diesem glamourösen und historischen Detail in deren Lebensgeschichte. Heute sind sie vor allem für ihr Engagement für die Aborigine bekannt. Naomi Mayers ist seit 30 Jahren Direktorin des Aboriginal Medical Service, wo sich auch ihre Cousinen für die Verbesserung der Gesundheitssituation der indigenen Communities einsetzen. Lois Peeler, die später das erste australische Aborigine-Model war, ist heute Geschäftsführerin der weiterführenden Schule Worawa Aboriginal College für junge Aborigine-Frauen. Die Zeiten als Sapphires sind lange vorbei. So war selbst Tony Briggs, Laurel Robinsons Sohn und Drehbuchautor des Films, ganz überrascht, als seine Mutter, eines Tages anmerkte: "Das erinnert mich an damals, als wir mit der Band durch Vietnam fuhren!"

Zur Schauspielerin Deborah Mailman (Gail):
Schon in der Theaterversion spielte Mailman eine der Sapphires. Die Schauspielerin aus Queensland ist die erste Aborigine-Frau, die 1998 mit einem AFI Best Actress Award (des Australian Film Institutes) ausgezeichnet wurde – und das schon bei ihrem Kinodebut in dem Film Radiance. Mittlerweile stehen zwei weitere AFI Preise für Schauspielleistung in ihrem Schrank und außerdem seit 2009 eine Trophäe als Autorin und Regisseurin für den besten Kurzfilm. Die Rolle der Gail brachte ihr einen AACTA (der australische Oscar), als beste Hauptdarstellerin ein.

Zur Schauspielerin Jessica Mauboy (Julie):
Im Film spielt sie die jüngste Schwester mit der stärkten Stimme und damit Lead-Sängerin der Sapphires. Im echten Leben ist sie ehemalige Australian Idol – Kandidatin und mittlerweile eine sehr erfolgreiche Popsängerin. Ihr Schauspieldebut hatte sie neben Deborah Mailman in dem Aboriginal-Musical Bran Nue Dae, welches zu einem der erfolgreichsten australischen Filme der letzten Jahre avancierte. Für ihre Darstellung der Julie in The Sapphires wurde sie mit einem AACTA für die Beste Nebendarstellerin ausgezeichnet.

AVIVA-Tipp: Dieses Werk vereint großen Filmspaß mit toller Musik und lustigen Comedy-Momenten mit einer Nachhilfestunde zur australischen Geschichte aus der Perspektive der Marginalisierten. The Sapphires wird seit seinem Erscheinen nicht nur unter der indigenen Bevölkerung – als Film von und über Aborigines – hochgelobt und gefeiert, sondern hat zurecht zahlreiche Preise auf Filmfestivals und Award Shows gewonnen.


The Sapphires
Australien, 2012
Ca. 103 Minuten
Verleih: Senator

Regie: Wayne Blair
Buch: Tony Briggs, Keith Thomas
Produzentinnen: Rosemary Blight, Kylie Du Fresne

DarstellerInnen:
Gail McCrae: Deborah Mailman
Julie McCrae: Jessica Mauboy
Kay McCrae: Shari Shebbens
Cynthia McCrae: Miranda Tapsell
Dave Lovelace: Chris O´Dowd

Kinostart: 20. Juni 2013

Weitere Infos unter:

The Sapphires – der Film auf facebook

www.senator.de, Seite des Filmverleihs mit sehr ausführlichem Trailer

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Beitrag vom 14.06.2013

AVIVA-Redaktion